Die deutsche Rugby-Nationalmannschaft hat es gegenwärtig schwer. Ein Jahr nach der verpassten WM-Qualifikation von Marseille, ein halbes Jahr nach dem donnernden Abstieg aus der EM-Division 1 und der Demission des englischen Startrainers Mike Ford ist der Verband – auch weil man Ford ein Traumhonorar gewährt und Sponsoren vergrault hatte – finanziell nicht auf Rosen gebettet, weshalb das neue Präsidium unter der Leitung des Heusenstammers Harald Hees große Anstrengungen unternehmen muss, um eine Insolvenz abzuwenden.
Dem Vernehmen nach sind Hees und der neue Finanz-Vizepräsident Mathias Entenmann (München) auf einem guten Weg, doch das Sparen geht zu Lasten des Sports. So verzichteten die neuen Trainer Mark Kuhlmann (Heilbronn), Alexander Widiker und Lars Eckert (beide Heidelberg) im ersten Spiel der neuen EM-Saison auf die Nominierung sämtlicher in ausländischen Klubs beschäftigter Spieler, und die Reise ins polnische Lodz wurde mit dem Omnibus bestritten und dauerte zwölf Stunden.
Umso überraschender ist der 35:15 (25:8)-Sieg der stark verjüngten und völlig neu formierten Mannschaft, die die wesentlich robusteren Polen jederzeit beherrschten und ein sehr gutes Spiel zeigten. „Das war stark“, freute sich Stürmertrainer Alexander Widiker über die Mannschaft, die vor 800 Zuschauern im Stadion und etlichen tausend Fans am Livestream von Rugby Europe beste Werbung für das zweite EM-Spiel am 23. November um 14.30 Uhr in Heidelberg gegen die Niederlande machte.
Zwar verlor die deutsche Mannschaft bereits unmittelbar nach dem Ankick ihren Kapitän Jörn Schröder wegen einer Verletzung, doch geschockt waren die Polen, als Handschuhsheims Superkicker Nicolai Klewinghaus – er traf mit sechs von sieben Goalkicks – in der zweiten Minute die 0:3-Führung herstellte und nach dem Ausgleich von Daniel Gdula nach 22 Minuten das 3:6 folgen ließ. Die Polen waren mit ihrem massiven Sturm sehr bedrohlich, doch die Deutschen ließen mutig und flink den Ball laufen und kamen so vor der Pause zu drei Versuchen durch Johannes Schreiecks Konterlauf und den wuchtigen Außendreiviertel Felix Lammers (2).
Kurz vor und kurz nach dem Seitenwechsel belohnten sich die verzweifelt drückenden Polen mit zwei Stürmerversuchen durch Adrian Chrosciel und Jan Cal zum 15:25, doch die letzten 20 Minuten gehörten eindeutig den stark kämpfenden und exzellent verteidigenden Deutschen, die durch Oliver Paine den erlösenden vierten Versuch erzielten. Vier Versuche in einem Spiel bringen in der EM nur vier Wertungspunkte, weshalb die Ukraine nach einem 27:10 gegen Litauen erster Tabellenführer ist.
Die Heimfahrt war auch schön.
Auf der Website von Rugby Europe findet man Statistiken und das ganze Match zum Nachlesen und Nachsehen.
Deutschland: Hohl (Heidelberger RK) – Z. Hees (RK Heusenstamm), Fischer (Hannover 78), Wakefield (SC Neuenheim), Lammers (HRK) – N. Klewinghaus (TSV Handschuhsheim), Mathurin (HRK) – J. Schreieck (RG Heidelberg), Rinklin (SCN), Renc (Hannover 78) – Lehmann (SCN), Rayan (SC Frankfurt 1880) – Dickinson (RGH), Fairhurst (Handschuhsheim), Schröder (Kapitän/HRK). – Eingewechselt: Füchsel (Frankfurt), Schüle (Handschuhsheim), A. Gleitze (Berliner RC), M. Kopp (Hannover 78), Burisch (SCN), Schäfer (Handschuhsheim), Paine (SCN), Martel (Handschuhsheim).
Schiedsrichter: Tezvadze (Georgien); Zuschauer: 800; Punkte: 0:3 (2.) Straftritt Klewinghaus; 3:3 (7.) S Gdula; 3:6 (22.) S Klewinghaus; 3:13 (29.) Versuch Schreieck + E Klewinghaus; 3:20 (35.) V Lammers + E Klewinghaus; 3:25 (40.) V Lammers; 8:25 (40.+7) V Chrosciel; 15:25 (56.) V Cal + E Gdula; 15:28 (61.) S Klewinghaus; 15:35 (72.) V Paine + E Klewinghaus; Zeitstrafe: -/Renc (65.).
Außendreiviertel Felix Lammers legte zum EM-Auftakt in Lodz zwei Versuche gegen Polen. Archivbild: Jürgen Keßler