Rugby-Nationaltrainer Mark Kuhlmann vor dem EM-Spiel gegen Spanien am Sonntag in Heidelberg im RNZ-Gespräch
Mark Kuhlmann, ein 53-jähriger Teamleiter der MLP AG in Wiesloch, ist ehrenamtlicher Cheftrainer der deutschen Rugby-Nationalmannschaft, die am 12. Feruar 2023 um 14.30 Uhr im Heidelberger Fritz-Grunebaum-Sportpark gegen Spanien das zweite Spiel in der Europameisterschaft 2023 bestreitet. Der 48-fache Nationalspieler des DRC Hannover führte sein Vereinsteam zu sechs deutschen Meisterschaften, bevor er als Trainer tätig wurde und von 2008 bis 2019 nacheinander den DRC Hannover, SC Neuenheim, die Neckarsulmer SU und den TSV Handschuhsheim betreute. Neckarsulm führte er in die Bundesliga, mit Neuenheim und Handschuhsheim wurde er deutscher Vizemeister. Mit seiner Ehefrau Stefanie lebt Kuhlmann in Heilbronn. Er sagt: “Wir werden den Klassenverbleib in der EM-Division 1 schaffen.”
Herr Kuhlmann, die RNZ hat in der letzten Woche prophezeit, dass die EM und insbesondere das erste Saisonspiel in Tiflis gegen Georgien zu einem “großen Abenteuer” werden wird. War es das?
Allerdings, das kann man wirklich sagen. Hinflug, Unterbringung und Verpflegung in der Hauptstadt des mehrmaligen Rugby-Europameisters waren gut, das Wetter und das Spielfeld im Avchala-Stadion sogar sehr gut. Trotz der deutlichen 12:75-Niederlage unserer Mannschaft waren wir Trainer nicht unzufrieden, denn wir haben uns als Aufsteiger ganz gut geschlagen und Georgien gehört nicht in diese Liga. Die haben im Herbst 2022 in Wales gewonnen und sich ganz glatt für die WM 2023 in Frankreich qualifiziert. Das ist in der EM eine Über-Mannschaft, das werden sie in den nächsten zwei Monaten beweisen.
Was war dann abenteuerlich?
Die Heimreise, denn wegen des fürchterlichen Erdbebens in Syrien und der Türkei wurden in Tiflis fast alle Flüge nach Westeuropa gestrichen, und wir saßen am Montagmorgen fest. Dank der Cleverness und dem Krisenmanagement unseres Teammanagers Alexander Widiker, der sagte: Wir müssen hier raus!, konnten wir umbuchen und den letzten Flug nach Qatar nehmen, wo wir die ganze Nacht auf dem Flughafen festhingen und erst am Dienstagmittag in Frankfurt landeten. Einen Tag später als geplant…
Inwiefern haben diese Widrigkeiten Ihre Spieler vor dem ersten Heimspiel gegen Spanien beeinflusst?
Das Unerwartete hat den Zusammenhalt gefestigt, was sich im weiteren Saisonverlauf, in dem wir ja eine Partie gewinnen möchten, um den Klassenverbleib zu schaffen, noch positiv auswirken wird. Nicht nur auf dem Rasen in Tiflis haben sich alle Akteure in vorbildlicher Weise unterstützt und gegenseitig geholfen und aufgemuntert, auch die lange Nacht in Qatar hat gezeigt, dass wir ein echtes Team sind und kein einziges faules Ei im Kader haben.
Zurück nach Tiflis: Das 12:75 entspricht einem 2:11 im Fußball. Das ist schon heftig?
Ja, natürlich, der Unterschied zwischen unseren “Schwarzen Adlern” und den “Lelos” ist riesig, nicht nur in physischer Hinsicht. Georgien hat ausnahmslos Vollprofis aus den besten europäischen Ligen, die Erfahrung von etlichen hundert Länderspielen, enorme Größen- und Gewichtsvorteile und mit Luca Matkava einen Weltklasse-Spielmacher. Der 21-Jährige ist wie ein Gespenst, ist überall und nicht zu fassen. Ganz klar: Im angeordneten Gedränge, wo Georgien ein Übergewicht von gut 150 Kilogramm hatte, hatten wir einen ganz schweren Stand und konnten kaum schnell verwertbare Bälle erobern. Was mir aber imponiert hat, war der Kampfgeist in der Defensive, wo es uns gelungen ist, das Mittelfeld völlig dicht zu machen, und der Mut im Angriff. Und wir haben trotz stärksten gegnerischen Drucks und deutlichen Rückstandes nie aufgegeben.
Nun kommt Spanien – auch ein Topteam, das die Niederlande mit 28:20 besiegt hat. Was kann Ihr Team in diesem Spiel leisten?
Wir werden wieder alles geben und hoffentlich erfolgreicher sein, weil die Spanier – trotz ihrer Profis aus Toulon, Biarritz, Dax, Dijon, Chambéry und Béziers – eine weniger starke Physis haben. Vielleicht können wir unser schnelles Spiel besser zur Geltung bringen? Sicher: Wir sind Außenseiter, aber wir müssen sie ja nicht 20-mal in Folge besiegen.
Was muss Ihr Team besser machen als in Tiflis?
Im Gedränge und in der Gasse sollten wir den Ball nach eigenen Einwürfen erobern können und dann blitzschnell angreifen. An guten Ideen wird es dann nicht fehlen.
Welche Veränderungen in der Formation wird es geben?
Keine wesentlichen. In Tiflis hat Flankenstürmer Robert Lehmann eine Schulterverletzung erlitten, doch vielleicht kann er dabei sein. Wir werden den britischen Armee-Nationalspieler Michael McDonald, der in Niedersachsen geboren ist, und den aus Heidelberg stammenden Münchener Niklas Hohl dazunehmen, um variabler zu sein. Und dann heißt es: Hart kämpfen und immer einen kühlen Kopf bewahren. 2016 in Köln haben wir gegen Spanien 19:19 gespielt, und Heidelberg war für unsere Mannschaft immer ein gutes Pflaster.